Cloud Computing für Manager
Informationstechnik:
Wer Daten und Programme auf die Rechner von Internetdienstleistern verlagert, kann die Produktivität erhöhen und das eigene Geschäftsmodell voranbringen. Doch um diesen Wandel zu nutzen, fehlen in vielen Unternehmen die richtigen Leute.
Von Andrew McAfee
Dirk Schleef
Cloud Computing: Das Arbeiten in der Wolke ermöglicht eine effizientere Zusammenarbeit
Eine Umfrage von IBM unter 1500 CEOs weltweit im Jahr 2010 deckte einen besorgniserregenden Missstand auf: Fast 80 Prozent der Teilnehmer gaben an, ihr Umfeld werde in den nächsten Jahren deutlich komplexer; weniger als 50 Prozent meinten, ihr Unternehmen sei gut auf den Wandel vorbereitet. Die Verfasser der Studie bezeichneten dies als "die größte Herausforderung für Führungskräfte, die wir in den vergangenen acht Jahren während unserer Untersuchungen gefunden haben".
Leider verschärft die eigene Informationstechnik (IT) in vielen Unternehmen die Lage noch - oft macht sie es nicht einfacher, sondern schwieriger, Veränderungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Für dieses Problem gibt es keine einfache Lösung, doch zumindest Hilfe: Cloud Computing. Denn es bietet eine ganze Palette neuer digitaler Werkzeuge und Ansätze.
Cloud Computing ist eine klare Abkehr vom Bisherigen. Heute gehören den meisten Unternehmen ihre Software und Hardware, die sich auf dem Firmengelände in Rechenzentren befinden. Bei Cloud Computing dagegen mietet eine Organisation die digitale Ausstattung. Die Mitarbeiter kennen die Standorte der Computer, Rechenzentren, Programme und Datenbanken, mit denen sie arbeiten, gar nicht - die Ressourcen befinden sich irgendwo in der Datenwolke.
Für Fans des Cloud Computings ist genau das ein entscheidender Vorteil. Die Nutzer müssen sich nicht um Details kümmern - was sie brauchen, mieten sie einfach (siehe Kasten unten).
Wie wichtig ist Cloud Computing? Aus meiner Sicht ist es eine grundlegende Veränderung - ein tiefer und dauerhafter Wandel in der Art, wie Rechenleistung bereitgestellt und eingesetzt wird. Er ist genauso unvermeidlich und unumkehrbar wie der Wechsel von der Dampfmaschine zu Elektromotoren in der Produktion, der in den USA vor etwa einem Jahrhundert begann. Und wie schon dieser Übergang Unternehmern viele Vorteile gebracht und neue Möglichkeiten eröffnet hat, so wird dies auch bei der Cloud der Fall sein.
Was die Cloud bietet
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Cloud Computing wächst schnell und entwickelt sich rasch weiter. So entstehen reichlich neue Fachbegriffe. Deshalb kann es schwierig sein zu verstehen, was genau die Cloud ist und wie sich die einzelnen Angebote unterscheiden. Grob vereinfacht gibt es drei Kategorien: bloße Rechenkapazität, Computer zum Betreiben von Software und Software selbst.
- Infrastructure-as-a-Service (IaaS)
Bei dieser einfachsten Art des Cloud Computings stellt der Anbieter Server, Speicherkapazität oder Bandbreite zur Verfügung. IaaS-Kunden sind häufig Hightech-Unternehmen, die selbst über gute IT-Kenntnisse verfügen. Sie wollen Zugriff auf mehr Rechenkraft, sich aber nicht selbst um Installation und Wartung kümmern.
- Platform-as-a-Service (PaaS)
Damit sind cloudbasierte Plattformen gemeint, auf denen Unternehmen eigene Anwendungen entwickeln oder Software schreiben können, die mit bestehenden Anwendungen ineinandergreift. PaaS-Dienste bringen Software-Entwicklungsumgebungen wie Java, .NET, Python oder Ruby on Rails mit und ermöglichen den Kunden so, schnell mit dem Programmieren zu beginnen. Wenn die Programme fertig sind, werden sie über Computer des Cloud-Anbieters zugänglich gemacht. PaaS nutzen häufig etablierte Unternehmen, die einen Teil ihrer Infrastruktur auslagern wollen.
- Software-as-a-Service (SaaS)
Dies bildet den größten und reifsten Teilbereich des Cloud Computings. Es handelt sich um Anwendungen oder Paletten von Anwendungen, die statt auf der Festplatte eines Nutzers oder im Rechenzentrum in der Cloud laufen. Ein erster großer Erfolg mit Saas war die Software zur Kundenpflege von Salesforce.com, die seit dem Jahr 2000 eine Alternative zu vor Ort installierten Systemen bietet. Neuerdings gibt es auch Produktivitäts- und Zusammenarbeitssoftware in der Cloud, zum Beispiel Google Apps oder Microsoft Office 365.
- Gemeinsamkeiten
Alle drei Kategorien haben einiges gemeinsam. Erstens werden sie vom Kunden gemietet statt gekauft; IT-Aufwendungen fallen also nicht mehr als Investitionen, sondern als Betriebskosten an. Zweitens verantworten die Anbieter die gesamte Technik - Wartung, Kapazitätsplanung, Verwaltung, Fehlerbehebung und Back-ups. Drittens lassen sie sich meist schnell und leicht erweitern - mit mehr Speicherplatz beim IaaS-Anbieter, Kapazität für mehr Projekte bei PaaS oder mehr Nutzerzugängen bei SaaS-Anwendungen.
Manche großen Organisationen haben vor, private Clouds aufzubauen, die sie selbst besitzen und warten. Dabei handelt es sich im Prinzip um Rechenzentren, in denen sie Cloud-Technik nutzen. Ihr Reiz liegt darin, dass sie all die Vorteile der öffentlichen Cloud mitbringen, zugleich aber hinsichtlich Sicherheit und Regulierung weniger heikel sind. Ich bin aber skeptisch. Die Größenvorteile öffentlicher Cloud-Anbieter führen auf Dauer zu enormen Kostensenkungen; weil ihr Markt umkämpft ist, werden diese Einsparungen sich auch in den Preisen niederschlagen. Ich bezweifele, dass private Clouds in dieser Hinsicht mithalten können.
Derzeit sind viele Manager beim Thema Cloud Computing unsicher und skeptisch. Das gilt insbesondere für IT-Profis, die viel Erfahrungen mit unternehmenseigenen Rechenzentren haben und sich ihnen eng verbunden fühlen. Das Management sollte diesen Mitarbeitern beim Wechsel in die Cloud nicht zu viel Einfluss gewähren - sonst wäre es so, als ob dem Team, das für Kessel und Dampfturbinen zuständig ist, die Verantwortung für die Elektrifizierung der Fabrik übertragen würde. Den Übergang in das Zeitalter des Cloud Computings zu steuern ist Aufgabe des Unternehmenschefs und der anderen Topmanager.
Bei meinen Gesprächen mit Führungskräften tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder drei Fragen auf: Warum hat die Cloud so große Bedeutung über die IT-Abteilung hinaus? Was sind die größten Bedenken und wie berechtigt sind diese? Und wie sollen wir anfangen? In diesem Beitrag werde ich diese Fragen beantworten. Ich erkläre, wie die Cloud funktioniert und was ihre Vorteile sind. Ich stelle dar, wie vermeintliche Hürden und Bedenken viele Unternehmen davon abhalten, ihr volles Potenzial zu nutzen. Schließlich diskutiere ich verschiedene Vorgehensweisen und empfehle konkrete Maßnahmen.
Kompakt
Ungenutzte Chancen: Viele IT-Experten diskutieren intensiv über die Vor- und Nachteile des Cloud Computing. Doch in den Chefetagen der Unternehmen ist das Thema noch nicht richtig angekommen. Das ist ein Fehler, so der Autor. Denn die Cloud macht die Mitarbeiter effizienter, lässt sie besser zusammenarbeiten und erlaubt es, Geschäftsdaten auf neue Art und Weise zu analysieren.
Überschätzte Risiken: Wer die Cloud nutzen will, muss zuerst die vorhandene IT standardisieren und konsolidieren. Das ist nicht immer einfach, zahlt sich aber meist aus. Denn Cloud-Anbieter können Skaleneffekte nutzen und so günstiger sein als firmeneigene Rechenzentren. Zudem arbeiten sie mittlerweile genau so zuverlässig und sicher. Viele der IT-Leute aus dem eigenen Unternehmen stehen dem neuen Trends allerdings skeptisch gegenüber, weil sie sich von ihren vertrauten Systemen trennen müssen. Daher sollten die CEOs selbst die Nutzung der Cloud vorantreiben.
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