PROF. DR. HERIBERT MEFFERT ist Direktor des Instituts für Marketing der Universität Münster. DR. MANFRED BRUHN ist Dozent an der European Business School (Schloß Reichartshausen/Rheingau).
Dynamische Entwicklungen im Markenartikelbereich hat es immer schon gegeben. Nach einer Phase relativ stabilerWett bewerbsbeziehungen mit einer eindeutigen Vorrangstellung der klassischen Herstellermarke in den 50er und frühen 60er Jahren führten die zunehmenden Machtverschiebungen und die Eigenständigkeit des Handels bereits Mitte der 60er Jahre mit der Einführung von Handelsmarken zu einer wesentlichen Veränderung der Wettbewerbssituation. Das Thema Konflikt und Kooperation begleitet seitdem die Markenpolitik.1) Mit dem Aufkommen der Gattungsmarken hat sich dieses Konfliktpotential vor allem in den Absatzkanälen des Lebensmittelbereiches erheblich verschärft. Marktanteilsverluste und damit einhergehende Gewinneinbußen stellen zahlreiche Markenartikelhersteller vor ernste Probleme und schüren die Angst anderer - bislang weniger stark betroffener - Hersteller vor einer Unterminierung ihrer Markenpolitik. Andererseits gibt es aber auch Bereiche, die von dieser Entwicklung nicht berührt werden, in denen Herstellermarken sogar eine wachsende Bedeutung gewinnen (zum Beispiel Textilien). Die Diskussion über Gattungsmarken entzündet sich bereits an der ziemlich belanglosen Frage, ob No Names überhaupt als Marken bezeichnet werden können. Zweifellos sind Gattungsmarken eine besondere Erscheinungsform der Handelsmarke oder Eigenmarke. Sie stellen bei der Verpackungsgestaltung die Gattungsbezeichnung der Ware in den Vordergrund und sind nur in Einkaufsstätten verfügbar, die zu einer klar definierten Handelsgruppe (freiwillige Kette, Filiale, Einkaufsgenossenschaft) gehören. Im Vordergrund des Gattungsmarkensortiments stehen problemlose Produkte (Haushaltsartikel, Konserven, Grundnahrungsmittel, Wasch- und Reinigungsmittel) mit über die Warengruppen hinweg einheitlicher und einfacher Verpackungsgestaltung, vergleichsweise niedrigem Preisniveau (Discountpreise) und weitgehendem Verzicht auf Werbung. Wesentlicher als definitorische Fragen sind die mit den Gattungsmarken verbundenen Wettbewerbsprozesse. Drei Aspekte verdienen dabei besondere Beachtung, nämlich die vergleichsweise rasche Penetration und die Markensubstitution, die Initiierung dynamisch verlaufender Preisanpassungen und die Ausweitung von Niedrigpreissortimenten in ausgewählten Produktfeldern. Am Anfang des Jahres 1983 war die Situation in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt gekennzeichnet: 2) Gattungsmarken werden von 13 Handelsgruppen in insgesamt mehr als 30 000 Geschäften und mit insgesamt 1050 Artikeln angeboten. Der durchschnittliche Marktanteil in 60 Nielsen-Warengruppen liegt bei 5,4 Prozent (Menge) beziehungsweise 3,3 Prozent (Wert); in einzelnen Artikelgruppen bis zu 50 Prozent. Gattungsmarken weisen einen numerischen Distributionsgrad von acht Prozent und gewichtet von 18 Prozent auf. Der durchschnittliche Preisabstand zu den anderen Marken beträgt 40 Prozent. Besonders hervorzuheben ist die Situation im schrumpfenden Zigarettenmarkt. Innerhalb von sechs Monaten erreichten die „weißen Zigaretten“ 1982 einen Marktanteil von knapp zehn Prozent. Der Marktführer Reemtsma eröffnete im Frühjahr 1983 den Preiskampf mit der bis dahin erfolglosen Marke „West“ (Preissenkung von DM 3,80 auf DM 3,30; Marktanteil 0,6 Prozent). Weitere Hersteller folgten mit mehr oder weniger unbedeutenden Marken („L&M“, „Overstolz“, „Gold Dollar“). Innerhalb kürzester Zeit erreichten die Billigmarken der großen Hersteller 20,8 Prozent Marktanteil (davon „West“ 8,4 Prozent). Die etablierten Marken verloren beträchtliche Marktanteile (circa 16 Prozent die sechs führenden Marken, davon „HB“ 4,3 Prozent, „Marlboro“ 3,1 Prozent, „Lord Extra“ 2,3 Prozent). Es werden Reaktionen und Preisanpassungen der etablierten Marken erwartet. So hat „HB“ eine Preissenkung von DM 3,80 auf DM 3,50 vorgenommen. Weitere Markenhersteller haben ebenfalls Preissenkungen vorgenommen. Verständlicherweise orientieren sich die Diskussionsbeiträge der Marktteilnehmer an ihren jeweiligen Interessenstandpunkten. So interessiert aus Herstellerperspektive die Anpassung und Durchsetzung von Markenstrategien gegenüber der Hersteller- und Handelskonkurrenz („Rückbesinnung auf die Stärke des Markenartikels“). Im Handel steht demgegenüber die Durchsetzung von Markenstrategien gegenüber konkurrierenden Betriebsformen im Vordergrund (Abwehr von und Profilierung gegenüber Discountern). Aus Verbrauchersicht dominiert die Frage nach den Funktionen und dem Verbrauchernutzen von Marken (waren die klassischen Herstellermarken bisher zu teuer?). Aus wettbewerbspolitischer Sicht stellt sich die Frage nach der Rolle der Markenpolitik zur Intensivierung von Wettbewerbsprozessen (Dynamik des Markenwettbewerbs, Preis- und Qualitätswettbewerb).