Der FC Barcelona, die Klitschko-Brüder und Magdalena Neuner haben vor allem eines gemeinsam: sie stehen für konstante herausragende Spitzenleistungen. Als Team oder Einzelakteure gehören alle in ihrem Feld zur Weltklasse. Sie sind nicht nur erfolgreiche Sportler, sondern auch regelmäßig auf Motivations- und Teambuilding-Workshops anwesend. Allerdings sind sie dort nicht als Teilnehmer, sondern als großflächige Powerpoint-Figuren zu Gast. Als Idole für Exzellenz, Vorbilder für Leistung und Inbegriffe des Siegeswillens. Spitzensportler sind dankbare Verkörperungen von Ruhm und Erfolg für Trainer, Coaches und Führungskräfte.
Hürde: Führungskräfte müssen analog zur körperlichen Kondition von Spitzensportlern eine mentale Kondition entwickeln, wenn sie erfolgreich sein wollen
Unter dem Begriff Hochleistungssport versteht man eine Sportart, die mit dem ausdrücklichen Ziel betrieben wird, Spitzenleistungen im internationalen Maßstab zu erzielen. An der Spitze dieses Wettkampfsystems stehen Weltmeisterschaften und Weltcup-Serien, sowie in vielen Sportarten die Olympischen Spiele. Die Übertragung der Leistungssport-Logik auf den Unternehmensalltag hinkt in der Regel daran, dass für viele Organisationen wie beispielsweise Staat, Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen irrelevant ist und dass jeder Erfolg von hartem Grundlagentraining und nicht von Fotos der Siegerehrung abhängt.
Training der Grundfähigkeiten
Unternehmen, für die Spitzenleistung aufgrund ihrer Markt- und Wettbewerbssituation tatsächlich erfolgsrelevant ist, bleibt zu raten, sich das ganze Bild, den ganzen Kontext einer Situation gründlich anzuschauen. Große Erfolge sind im Sport erst möglich, wenn die beste Technik mit der besten Kondition zusammenkommt. Neben zahlreichen Einflussgrößen wie Taktik, Koordinationsfähigkeit oder konstitutionelle Unterschiede ist Kondition für Sportler die erfolgskritische Grundlage, ohne die gar keine internationale Hochleistung möglich ist. Körperliche Kondition wird von Sportmedizinern in der allgemeinen Trainingslehre als Produkt der vier Grundfähigkeiten zurückgeführt: Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Gelenkigkeit.
Mentale Entsprechungen
Übertragen auf Führungsaufgaben haben die körperlichen Fähigkeiten auch eine mentale Entsprechung. Sie stellen eine Eintrittshürde für Erfolg dar, die es zu überwinden gilt. Mentale Kondition setzt sich zusammen aus Selbstverantwortung (das entspricht Kraft), Lern- oder Reflexionsfähigkeit (Schnelligkeit), Konfliktfähigkeit (Ausdauer) und Beziehungsfähigkeit (Gelenkigkeit). Bei der Übertragung der körperlichen auf mentale Grundfähigkeiten wird - ähnlich wie im Spitzensport - schnell klar, dass das mentale Leistungsvermögen von Führungskräften ebenso Bedingung für Erfolge ist. Haben Manager zuwenig mentale Fitness so zeigt sich das in schlechter Leistung, weil Potenziale nicht ausgeschöpft werden."Kräftige" Führungskräfte haben eine hohe Fähigkeit zur Selbstverantwortung, sind damit öfter erfolgreicher, weil sie mehr substantielle Beiträge leisten können. Mental Schwächere beginnen mit Problembeschreibungen oder der Schilderung von eigenen Anstrengungen. Wer sich Rechtfertigungen oder Schuldzuweisungen bedient, hat seine Zuständigkeit faktisch verloren. Ihre Beschwerden sind vielfältig, wie zum Beispiel eine ungünstigen Ausgangslage, zu wenig Zeit oder Ressourcen, falsche Leute an Bord, Weltwirtschaftskrise und so weiter. Damit hat eine schwache Führung die tatsächliche Steuerung an Umstände, Zeit, Ressourcen, oder Andere übergeben. Sie sind automatisch zum Opfer aller anderen Kräfte geworden und können aus Mangel an eigener mentaler Kraft das Geplante und Gewünschte nicht mehr leisten. Die Wirkung ist fatal, wenn im Pingpong-Spiel verantwortungsloser Führungskräfte große Unternehmen massiv untersteuert werden, aber mit der Verantwortung für zig Tausende Arbeitsplätze, der Umwelt und Technologien mit Hochgeschwindigkeit über den globalen Highway rasen.
Eine "schnelle" Führung ist nicht nur mental kräftig, sondern hat die Fähigkeit mit hoher Geschwindigkeit aus Fehlern zu lernen. Zusätzlich zur Kraft, die es braucht, die Tiefen der eigenen Schatten ausleuchten, müssen sie schneller lernen als andere, damit sich ein Vorteil bemerkbar macht. Die Forderung nach "Speed! Speed! Speed!" haben prominente Vorstandsvorsitzende wie Rolf Breuer, Jürgen Schrempp oder zuletzt Peter Löscher schon vor Jahren verlauten lassen. Sie haben dies aber ohne die ausdrückliche Erlaubnis getan, Fehler machen zu dürfen, um daraus zu lernen. Auch die Möglichkeiten tiefer systematischer Reflexion wurden nicht gegeben. Die Angst vor dem Scheitern und am Ende damit alleine zu stehen, sind mentale Bremsklötze, die jede Führung dramatisch verlangsamen. Die lernende Organisation wird in einer ängstlichen und misstrauischen Firmenkultur wohl reines Wunschdenken bleiben. Es braucht Mut zur Geschwindigkeit, will sich eine Führungskraft dem Risiko eines kollektiven Sogs der Angst in einem Unternehmen entziehen. Bei einer richtigen Entscheidung lieber um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis, wäre dafür ein Indikator.
Ausdauer und Gelenkigkeit
"Ausdauernde" Führungskräfte weisen eine ausdifferenzierte Konfliktfähigkeit auf. Diese schmerzhafte Ausdauerleistung fördert unmittelbar individuelle Kreativität und Innovation im Unternehmen. Wird Andersartigkeit von Meinungen nicht respektiert, gibt es kaum Raum für kreative Verknüpfungen. Mentale Konfliktfähigkeit entspricht exakt der sensorischen Ausdauer, weil man sich nicht nur mit der eigenen Sichtweise konstruktiv auseinander setzen muss, sondern mit ganz vielen. Das hat nichts mit devoter Leidensfähigkeit zu tun, sondern mit Reflektieren, Hinterfragen und Spannungen aushalten zu können. Ohne dem Zulassen und Integrieren anderer Meinungen und Perspektiven stehen Führungskräfte mental schon am Rande des Faschismus, der bekanntlich von Ausgrenzung und Abwertung lebt und damit alle Vorteile der kollektiven Intelligenz vergeudet.Als "gelenkige" Führungskraft hingegen können sie Neid, Missgunst oder Überheblichkeit in Beziehungen gut minimieren, was sofort echtes Interesse an anderen Menschen zur Folge hat. Ohne Ego wird jede Begegnung zur Quelle der Inspiration. Gelenkigkeit kann aber auch als überpersonelle Beziehungsfähigkeit verstanden werden. Sie sind dann in der Lage mit einem Auge auf die Strategie zu schauen und gleichzeitig den Blick auf das operative Geschäft nicht zu verlieren oder die Interessen von Einkauf und Vertrieb gleichermaßen zu wahren. Die Vernetzung mit verschiedenen Bereichen innerhalb und außerhalb des Unternehmens sind essentielle Erfolgstreiber. Ausgehend von einer hohen Beziehungsfähigkeit, können sie loyale Bindungen im Netzwerk so pflegen, dass Vertrauen entsteht. Ohne Vertrauen ist eine hohe Flexibilität in der Organisation nicht möglich. Beziehungsschwache Führungskräfte verstecken sich hinter Prozessen und Policen oder hängen grundsätzlich ihr Fähnchen nach dem Wind. Ohne die mentale Gelenkigkeit als Fähigkeit vielfältige Beziehungen und verschiedene Ansprüche zu halten, werden Führungskräfte entweder zum Söldner des eigenen Vorteils oder machen sogar Karriere vom Bedenkenträger zum Würdenträger und damit zum Parasiten aller echten Leistungsträger.
Fazit
Zusammen genommen erzeugt die mentale Fitness von Führungskräften die Kernkompetenzen Kooperations-, Lern-, Innovationsfähigkeit und kollektive Fokussierung auf die Kunden. Mentale Defizite beeinträchtigen - entsprechend einer körperlichen Verletzung - die Leistungsfähigkeit. Leugnet ein Manager beispielsweise seine Verantwortung bewusst oder unbewusst und kann sie auch nicht erlernen, lähmt er seine Führung. Dagegen ziehen fehlende Konfliktkultur und ein schwaches Beziehungsgeflecht oft Beliebigkeit und Opportunismus in der Führung nach sich. Als Ergebnis stehen oft die zwei beliebtesten Managementfehler: Viele visionäre Fantasien ohne Handlungen oder viele Handlungen ohne ein echtes Ziel.
Eine mangelnde mentale Kondition liegt nicht ausschließlich an den betroffenen Führungskräften, sondern oft auch an zu schwachen systemischen Beratern, Personal, und Organisationsentwicklern, die selber zuwenig Fitness trainiert haben und zuwenig Kondition haben. Spitzenleistung braucht eben auch Spitzencoaches. Das gilt für ausgefeilte Taktiken genauso wie für die grundlegenden Fähigkeiten. In den Kaderschmieden der Zukunft wird das mentale Training für Führungskräfte keine exotische Abwechslung sein, sondern was es eben ist: eine konditionelle Grundbefähigung für Management und Führung.
Viel Spaß beim Training!